Haben Sie schon einmal von der Zettelkastenmethode gehört? Diese Methode, die ursprünglich vom deutschen Soziologen Niklas Luhmann entwickelt wurde, ist ein systematischer Ansatz zur Verwaltung von Wissen und Ideen. In diesem fünf Sätzen versuche ich diese Methode kurz zu erläutern
1. Die Zettelkastenmethode besteht aus einer Sammlung von Notizzetteln (physisch oder digital), auf denen einzelne Gedanken, Zitate, Zusammenfassungen oder Ideen festgehalten werden, wobei jeder Zettel eine eigenständige Informationseinheit darstellt.
2. Jeder Zettel erhält eine eindeutige Nummer oder Kennzeichnung, die es ermöglicht, ihn im Gesamtsystem zu verorten und mit anderen Zetteln zu verknüpfen, wodurch ein Netzwerk aus Informationen entsteht.
3. Das System ist nicht linear, sondern ermöglicht es, durch Verweise und Querverbindungen zwischen den Zetteln, komplexe Beziehungen und Strukturen innerhalb des Wissensbestandes zu erkennen und zu entwickeln.
4. Die Methode fördert das kritische Denken und die kreative Synthese, indem sie Nutzer dazu anregt, über bestehende Informationen hinaus zu denken und neue Verbindungen zwischen Wissenselementen herzustellen.
5. Der Zettelkasten ist dynamisch und wächst mit der Zeit; er wird nicht nur als Speicher, sondern auch als ein Werkzeug für den Dialog mit dem eigenen Wissen und für die fortlaufende Entwicklung von Ideen genutzt. Diese Methode lebt vom Moment sich von seinen eigenen Notizen überraschen zu lassen.
Wie wäre es, wenn auch die schulische Lehre in Teilen dieser „Logik des Überraschens“ und der daraus entstehenden Neugier folgen würde? Wie oft hört man die Aussage, im schulischen Kontext das Rad nicht neu erfinden zu müssen – im Sinne des Teilens von Ideen oder gar Arbeitsblättern? Ich würde mir wünschen, wenn in Bezug des schulischen Lernens und das damit zusammenhängende wissenschaftliche Arbeiten mehr vom Prinzip des sich überraschen Lassens geprägt wäre. Inhaltliches sammeln von Notizen, welches nicht immer die eigenen Vorstellungen bestätigt, ist ein Prinzip, welches final zur offeneren inhaltlichen Auseinandersetzung mit Themen führen kann. Hier wird meiner Meinung deutlich, wie schädlich die ehemals linearen vorgefertigte Lehrpläne in der Bildung waren und teilweise noch sind.
Konzept:
Um das Überraschungsmoment im Unterricht zu fördern und Schülerinnen und Schüler zu einer offeneren Auseinandersetzung mit Themen zu bewegen, könnte das Konzept des „Entdeckenden Lernens“ mit einer adaptierten Form der Heftführung kombiniert werden. Dies würde Schüler dazu anregen, nicht nur Informationen zu sammeln, die ihre eigenen Vorstellungen bestätigen, sondern auch aktiv nach alternativen Perspektiven und Gegenargumenten zu suchen.
Umsetzung im Unterricht:
1. Forschungsfragen:
Lehrkräfte könnten den Unterricht mit offenen Forschungsfragen beginnen, die Schüler dazu anregen, verschiedene Hypothesen zu entwickeln. Diese Fragen sollten so gestaltet sein, dass sie nicht nur eine Antwort zulassen, sondern zu weiterer Exploration einladen.
2. Debatten und Rollenspiele:
Durch Debatten und Rollenspiele könnten Schüler gezwungen werden, sich mit Gegenpositionen auseinanderzusetzen und diese zu verteidigen, was das Verständnis für unterschiedliche Perspektiven fördert.
3. Zettelkasten im Klassenzimmer:
Die Methode des Zettelkastens könnte in den Unterricht integriert werden, indem Schüler eigene „Zettel“ mit Notizen, Fragen und Gedanken anlegen, die dann physisch oder digital miteinander verknüpft werden können. Dies fördert das Entdecken von unerwarteten Zusammenhängen.
Veränderte Heftführung:
1. Doppelseitige Heftführung:
Eine Seite des Heftes könnte für die regulären Unterrichtsnotizen verwendet werden, während die gegenüberliegende Seite für Reflexionen, Gegenargumente und alternative Perspektiven reserviert wird. Dies würde Schüler dazu anhalten, aktiv über das Gelernte nachzudenken und es zu hinterfragen.
2. Visuelle Verknüpfungen:
Schüler könnten dazu ermutigt werden, ihre Notizen mit Pfeilen, Farben oder Symbolen zu versehen, um Verbindungen zwischen verschiedenen Ideen und Konzepten zu visualisieren.
3. Forschungstagebuch:
Statt eines traditionellen Heftes könnten Schüler ein Forschungstagebuch führen, in dem sie ihre Gedanken, Entdeckungen und die Entwicklung ihres Verständnisses festhalten. Dieses Tagebuch könnte auch Raum für „Überraschungen“ bieten – Beobachtungen oder Erkenntnisse, die den eigenen Erwartungen widersprechen.
Ziel:
Das Ziel dieser Methode ist es, Schüler dazu zu bringen, über den Tellerrand hinauszuschauen und ein tieferes, kritischeres Verständnis für die Unterrichtsinhalte zu entwickeln. Indem sie dazu angehalten werden, sich mit verschiedenen Perspektiven auseinanderzusetzen und ihre eigenen Annahmen zu hinterfragen, werden sie zu selbstständigeren Denkern und Lernenden.