Ich habe mich nun mehr als drei Jahre mit dem Thema Wissensmanagement beschäftigt und dabei sehr spannende Software kennenlernen dürfen, wie beispielsweise Hypernotes (Zenkit) und Obsidian. Beide Programme arbeiten mit einem sogenannten Wissensgraphen, der Einzelnotizen ähnlich einem neuronalen Netzwerk miteinander verknüpft. Mir diese Gebilde anzusehen, war etwas Besonderes, obwohl der Mehrwert mit der Zeit verloren ging und ich letztendlich bei den geschriebenen Notizen blieb.
Ich habe Emojis innerhalb der Notizen verwendet und ausprobiert, ob es mir leichter fällt, mir Notizen zu merken oder zu erfassen, wenn ich möglichst viele Emojis verwende. Die Idee war, mentale Repräsentationen zu schaffen, ähnlich einer immer wieder ausgeführten sportlichen Bewegung. Dazu war es nötig, möglichst oft zu meinen Aufzeichnungen zurückzukehren. Ziel war es, mir Dinge besser einzuprägen und komplexere Themen schneller zu erfassen. Ich kann sagen, dass all diese Arbeit durchaus sinnvoll war und ich hatte dabei ein gutes Gefühl, da ich selbst einen großen Teil dazu beigetragen habe.
Ich habe bewusst Verlinkungen zwischen Artikeln und Notizen erstellt und „neurale“ Verbindungen geschaffen. Auch hatte ich einen YouTube-Kanal, auf dem ich meine gedanklichen Ergüsse teilte. Ich habe Produkte geschaffen, die aus meinem Denkprozess entstanden sind. Das hat mich motiviert, Notizen zu machen und an meinem „Second Brain“ zu arbeiten.
Doch dann kamen die ersten AI-Plugins für Obsidian. Diese haben das Sentiment all meiner Notizen erfasst und mir dabei geholfen, Artikel zu verknüpfen, Tags zu erstellen – und all das ohne, dass ich selbst viel denken musste. Es war, als ob ich Notizen auf Steroiden machen würde. Besser könnte es doch nicht gehen. Als 2022 dann ChatGPT kam, schwand meine Begeisterung für mein persönliches Wissensmanagement (PKM) immer mehr. ChatGPT stand immer mehr im Vordergrund und mein Arbeitsprozess in Obsidian wurde nach und nach eliminiert.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ein tägliches Journal geführt, welches fester Bestandteil meines persönlichen Wissensmanagements war – doch auch das geriet in Vergessenheit. Ich schrieb noch Artikel für meinen Blog, natürlich mit der Hilfe von ChatGPT. Rückblickend muss ich sagen, dass ich nun das externe Gehirn anstelle meines eigenen zum Denken nutzte – ganz gemäß der Aussage, Denken darf auch außerhalb des eigenen Gehirns stattfinden.
Ich frage mich, was es mit unserem Gehirn bzw. unserer Psyche macht, wenn wir die Arbeit des externen Gehirns über unser eigenes stellen. Was passiert, wenn wir plötzlich sehen, dass uns die KI links und rechts überholt? Werden wir depressiv, unkreativ, langweilig – als Mensch und als Individuum?
Es liegt an jedem Einzelnen, dies für sich zu reflektieren und zu überlegen, wer man sein will. Aber eines ist sicher: Wir Menschen neigen zur Bequemlichkeit und die Evolution hat immer gezeigt, dass wir den Weg des geringsten Widerstands wählen. Wie geht es Ihnen? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was passiert, wenn wir uns nur noch darüber freuen, welche großartigen Texte eine KI produziert?